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Mein Weg zur Kassenärztlichen Zulassung
- 4. Februar 2019
- PIA
- Psychotherapie
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- Versorgung
Wie geht es für mich weiter nach der Approbationsprüfung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin? Diese wichtige Frage stellte sich auch mir im April 2017. Eines war klar: Ich möchte in einer ambulanten Praxis arbeiten. Aber wie? Wo? Alleine oder gemeinsam mit anderen? Klar war auch, dass ich nicht sonderlich flexibel bezüglich meines künftigen Arbeitsortes war und für meine Arbeitsortsuche nur einen Umkreis von höchstens 40 km vom Wohnort in Betracht ziehen wollte.
Zunächst verschaffte ich mir u.a. auf den bvvp- Praxisbörsen und in Gesprächen mit mir bereits bekannten niedergelassenen VertragspsychotherapeutInnen frühzeitig einen Überblick, welche Kassensitze in meiner näheren Umgebung frei waren oder dem demnächst frei würden und welche Anstellungs- oder Jobsharingmöglichkeiten angeboten wurden.
Leider wurde recht schnell klar, dass Angebote nach meinen Bedürfnissen nur sehr begrenzt zur Verfügung standen, in zeitlich weiter Ferne lagen oder nach der ohnehin teuren Ausbildungszeit eine erhebliche finanzielle Herausforderung bedeuten würden.
Ich entschied schließlich relativ spontan kurz vor der Approbationsprüfung, mich zunächst in einer Privatpraxis an meinem Wohnort niederzulassen. Der Praxisort bot sich aus verschiedenen Gründen an: Im Ort lebten ca. 16.000 Einwohner, ich hatte bereits Eigentums-Praxisräume zur Verfügung und es gab bisher noch keine/n Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/in im Ort. Hinzu kam, dass ein großer Softwarekonzern seinen Hauptsitz am Praxisort hatte, von dem ich wusste, dass viele der Angestellten und somit auch sicher ein Teil von deren Kindern privatversichert waren.
Für die Gründung meiner Privatpraxis orientierte ich mich am Leitfaden der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). Es bedurfte keines großen Aufwands die Praxis zu gründen und im Juni 2017 zu eröffnen.
Bereits nach wenigen Monaten wurde der hohe Versorgungsbedarf vieler Kinder und Jugendlicher in meinem Praxisort klar. Es meldeten sich nicht nur Privatversicherte, sondern verstärkt auch gesetzlich Versicherte, die sehr verzweifelt auf der Suche nach einem zeit- und ortsnahen Therapieplatz waren. Nach dem ersten halben Jahr Praxisbetrieb hatte ich bereits über 60 Anfragen von gesetzlich Versicherten, obwohl mein Praxisort in einem (nach KV Zahlen) mit PsychotherapeutInnen nominell deutlich überversorgten Gebiet lag. Trotzdem wurde deutlich, dass die Region meines Praxisortes schlecht versorgt war, da sich die meisten PsychotherapeutInnen in der Region in der 25 km entfernten Großstadt niedergelassen hatten, es also dort eine „Ballung“ gab.
Ich entschied mich, u. a. nach Rücksprache mit einigen der wenigen Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen in den Nachbarstädten, einen Antrag auf Sonderbedarf beim Zulassungsausschuss zu stellen, in der Hoffnung, dass ein neuer Kassensitz für den Praxisort geschaffen würde. Es gab keine zum Verkauf stehenden Praxissitze in der Nähe, die problemlos in meinen Praxisort hätten verlegt werden können.
Da es sich bei der zu behandelnden Zielgruppe um Kinder und Jugendliche handelte, war die ortsnahe Versorgung von großer Bedeutung. Anders als bei erwachsenen PatientInnen, wünschten sich die Familien mit ihren Kindern weniger Anonymität, sondern vielmehr eine unkomplizierte und von den Eltern unabhängige Erreichbarkeit des/der Therapeutinnen. Hinzu kamen Argumente wie lange Schulzeiten, familiäre Belastungen oder auch Störungsbilder, die eine größere Unabhängigkeit der Kinder und Jugendlichen von den Eltern forderten.
Mein Antrag wurde im Dezember 2017 vom Zulassungsausschuss zunächst abgelehnt, da der tatsächliche Versorgungsbedarf nicht ausreichend belegt werden konnte. Die Warteliste von gesetzlich Versicherten reichte nicht aus und es wurden Fakten und Belege in Form von anonymisierten Kostenerstattungsbescheiden gefordert, von der Anzahl her im „zweistelligen Bereich“.
Es folgte eine Phase, die davon geprägt war, Familien beim Stellen von Kostenerstattungsanträgen durch Aufklärung und Begleitung zu unterstützen. . Hierbei orientierte ich mich am Leitfaden für Kostenerstattung der BPtK. Je nach Krankenkasse wurden unterschiedlich schnell Bescheide für die Kostenübernahme im außervertraglichen Setting ausgestellt. Schließlich hatte ich im Sommer 2018 ausreichend viele Bescheide vorliegen und ich stellte erneut einen Antrag auf Sonderbedarf, der mir schließlich im Oktober 2018 bewilligt wurde.
Heute arbeite ich in meiner sehr gut ausgelasteten Praxis als Vertragspsychotherapeutin. Es gibt weiterhin großen Bedarf vor Ort, sodass ich sogar überlege, noch einen weiteren PsychotherapeutInnen anzustellen.
Nachahmern würde ich mit meinem heutigen Wissensstand raten, den Ort ihrer Niederlassung gut zu überdenken und gezielt nach regionalen „Versorgungslücken“ zu suchen. In meinem Fall hatte ich das Glück, dass meine persönlichen Wünsche mit dem örtlichen Versorgungsbedarf übereinstimmten. Davon kann jedoch nicht automatisch ausgegangen werden. Der Übergang zur Vertragsarztpraxis via Privatpraxis war für mich insofern hilfreich, dass über den gesicherten Verdienst durch die Privatpraxis die Vorbereitung des Sonderbedarfsantrags (Bsp.: Kostenerstattungsbescheide sammeln, Örtlichkeit einrichten, Netzwerken und ggf. Unterstützung durch Dritte organisieren …) möglich wurde. Schwierig auszuhalten für mich war jedoch in dieser Zeit die Unsicherheit, ob der Sonderbedarfsantrag angenommen und genehmigt würde oder ob alle meine Bemühungen erfolglos bleiben würden.
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